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Thesen zum Umgang mit einem auffälligen pränatalen Befund oder: was wir uns von der Fachwelt wünschen

in Thesen zum Umgang mit einem auffälligen pränatalen Befund oder: was wir uns von der Fachwelt wünschen 15.07.2020 17:59
von Weitertragen | 727 Beiträge

Durch die Arbeit im Forum haben sich über die Jahre ein paar Punkte herauskristalisiert, die wir für besonders bedenkenswert halten.

Wir möchte diese deshalb gerne vor allem an die Fachwelt weitergeben.

Eine Verbreitung ist ausdrücklich erwünscht!
Vergesst / vergessen Sie dabei aber bitte nicht, uns als Urheber zu benennen.


10 Thesen zum Umgang mit einem pränatal auffälligen Befund

- Ein Kind, bei dem ein auffälliger pränataler Befund erhoben wird, ist noch immer das geliebte Kind. Es verletzt, wenn der Eindruck entsteht, dass es aufgrund einer festgestellten Behinderung plötzlich als Sache betrachtet und besprochen wird.

- Auch ein offener und ehrlicher Umgang mit Diagnose und Prognose kann so gestaltet werden, dass ein Funke Hoffnung bleibt.
Bei vielen Diagnosen gibt es einen (wenn auch ganz geringen) Prozentsatz an Ausnahmekindern, die sich ganz anders entwickeln, als die Diagnose erwarten ließ. Keine Statistik kann vorhersagen, welches Kind solch ein Ausnahmekind sein wird. Auch die Hoffnung, das Kind lebend kennenzulernen und das Sterben begleiten zu können, ist eine Hoffnung, die vielen Eltern Trost und Kraft gibt.

- Nur umfassend informierte Eltern können selbstbestimmt und verantwortungsvoll entscheiden. Entsprechend bedarf es einer umfassenden Aufklärung über alle Möglichkeiten des Umgangs mit dem entsprechenden Befund. Das beinhaltet die Möglichkeit des Schwangerschaftsabbruchs genauso wie ein Weitertragen mit palliativer Versorgung unter und nach der Geburt sowie, wenn möglich, prä- und postnatale Therapien.

- Eine Beratung ist nur „ergebnisoffen“ im Sinne des Gesetzgebers, wenn die unterschiedlichen Möglichkeiten gleichwertig bzw. wertfrei dargestellt und die entsprechende fachkompetente Begleitung auf diesen Wegen angeboten wird.

- Die Erkenntnis, dass das erwartete Kind nicht gesund ist, stellt für alle Eltern zwangsläufig eine psychische Ausnahmesituation dar. Das ist eine ganz normale Reaktion. Aus Psychologie und Seelsorge ist bekannt, dass sich lebensverändernde Entscheidungen, die auf dem Hintergrund einer psychischen Ausnahmesituation getroffen werden, meist nicht als dauerhaft tragfähig erweisen.
Aus diesem Zustand allein kann demnach nicht die psychische Konfliktsituation abgeleitet werden, die einen Abbruch rechtfertigt. Betroffene Mütter im Forum berichten nicht selten, dass der erste Impuls, die sinnlose Schwangerschaft so schnell wie möglich zu beenden, in den Wunsch umschlägt, das kranke Kind beschützen zu wollen und müssen, bis zum letzten Herzschlag und darüber hinaus.

- Ein Schwangerschaftsabbruch ist keine Therapie. Er ist das Ende eines Lebens. Die Vorstellung, die Schwangerschaft mit dem kranken Kind schnell zu beenden sei „schonender“, ist ein Irrtum. Ein Spätabbruch, besonders mittels Fetozid ist hochgradig traumatisierend. Eine Geburt mit palliativer Begleitung des Kindes kann dagegen als überaus friedvoll und stimmig erlebt werden. Entsprechend wird die Erinnerung an ein abgetriebenes Kind nicht selten verdrängt. Weitergetragenen Kinder werden nach gut vorbereitetem und begleitetem Kennenlernen und Abschied als Teil der Familie wahrgenommen und liebevoll erinnert.

- Auch im Falle eines Abbruchs bedarf es Zeit, um sich von dem Traum vom Kind zu verabschieden und einen würdevollen Abschied vorzubereiten. Alles andere kann den Trauerprozess erheblich behindern.

- Dass Eltern sich gegen einen Schwangerschaftsabbruch entscheiden bedeutet nicht, dass sie die Tragweite der Diagnose nicht erfasst haben. Entsprechend bedeutet das auch nicht zwangsläufig, dass diese Eltern eine Maximalversorgung ihres Kindes wünschen.

- Dass sich ein Großteil der von einem auffälligen pränatalen Befund Betroffenen für einen Abbruch entscheidet, bedeutet nicht, dass dieser Weg der einzig mögliche und für alle Betroffenen lebenslang „stimmig“ ist.

- Das Argument, man würde einem nicht lebensfähigen Kind durch den Abbruch „Leid ersparen“, ist zu überdenken: Keines der Kinder, über die in unserem Forum berichtet wurde, und die bereits kurz nach der Geburt verstarben, hat gelitten. Keines der Kinder ohne Lungenfunktion ist tatsächlich „qualvoll erstickt“. Alle Eltern berichten von einem „friedvollen Einschlafen“.
Wir bestreiten nicht, dass es vorkommen kann, dass Kinder, die bereits kurz nach der Geburt versterben, leiden. In den Fällen, die wir in unserem Forum überblicken, gab es jedoch keinerlei Anzeichen dafür.


Das Team Weitertragen e.V.


(Elija 7/2020)


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zuletzt bearbeitet 16.07.2020 00:18 | nach oben
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