Ich möchte euch gerne Paul vorstellen
Ich möchte euch gerne Paul vorstellen
in Herzlich willkommen im Forum von WEITERTRAGEN e.V. 30.06.2017 12:05von Sabine • | 2 Beiträge
Hallo ihr Lieben,
ich war in den letzten Jahren immer wieder als Gast in eurem Forum und eure Seite hat mir während meiner Schwangerschaft mit Paul viel Kraft gegeben. Paul ist im Herbst 2014 nach 42 Wochen in meinem Bauch direkt nach der Geburt aufgrund einer Trisomie 18 verstorben.
Hier unsere Geschichte:
Bereits recht früh, in der 12.SSW hat die FA im Ultraschall einen Hydrops fetalis (Wasseransammlungen am ganzen Körper) diagnostiziert –was das aber genau bedeutet, konnte trotz Spezialultraschall zu diesem relativ frühen Zeitpunkt noch keiner sagen. In mir allerdings ist während dieser zeitintensiven Untersuchung beim sehr wortkargen Spezialisten, als ich den Kleinen mit seinen 12 Wochen so lebhaft auf dem Bildschirm habe turnen sehen, die Entscheidung gereift, dass egal, was mir im Laufe der Schwangerschaft noch irgendjemand über dieses Kind und seinen Gesundheitszustand erzählt: Ich kann und will nicht über das Leben dieses Kindes entscheiden! Und das hat mir sehr viel Ruhe gebracht. In der 20. Woche wurden dann unsere schlimmsten Befürchtungen in der Feindiagnostik und durch eine Fruchtwasseruntersuchung bestätigt: Trisomie 18 (mit einem ausgesprochen komplexen Herzfehler, Omphalozele und ein paar weiteren kleineren Fehlbildungen)! Diese Untersuchungen, die kalte und uneinfühlsame Art des Pränataldiagnostikers und dessen komplette Ignoranz meiner Entscheidung, das Kind austragen zu wollen, waren die schlimmsten Momente dieser ganzen Schwangerschaft. Bis heute packt mich die Wut, wenn ich daran denke, dass meine Meinung überhaupt keinen interessiert hat und mehr oder weniger ein Platz in der Klinik zum Abbruch für uns organisiert wurde. Außerdem hat man mir trotz 3-D Ultraschall, auf welchem ich ein extrem süßes und sehr lebendiges kleines Baby gesehen habe, einreden wollen, dass da ein absolut entstelltes Monster in meinem Bauch wäre. Und selbst, wenn es so gewesen wäre, es wäre immer noch mein Baby. Aber eines vorweg: Paul war ein extrem süßes Baby ohne für Laien sichtbare äußere Fehlbildungen! Wir hatten zum Glück schon eine super Hebamme und haben dann noch nach einer Klinik gesucht, die bereit war, den Weg mit uns und Paul zugehen. Dabei sind wir auf viele liebe Menschen gestoßen, die sich alle ganz viel Zeit für uns genommen haben. Die restliche Schwangerschaft verlief dann mit einigen Höhen und Tiefen relativ entspannt. Ich habe bewusst versucht, mir viel Zeit für Paul zu nehmen und auch das Leben zu genießen (wenn er schon eh nur die paar Wochen hat, soll er doch nicht nur Trauer und Schmerz erfahren). Wir haben viel mit der Familie unternommen (unsere Großen waren damals 3 und 5 Jahre alt) und waren zusammen im Urlaub. Ich hatte zu jeder Zeit das Gefühl, dass es Paul im Bauch gut geht und auch die Ärzte meinten, dass er einen sehr fitten und zufriedenen Eindruck macht. Mit der Klinik haben wir eine palliative Geburt geplant. Als es auf die Geburt zuging, merkte ich, wie schwer es mir fiel, loszulassen. Wir hofften sehr, Paul lebend mit nach Hause nehmen zu können und, dass er einige Zeit bei uns sein kann. Zwei Wochen nach dem ET haben die Wehen eingesetzt und Paul wurde in einer unkomplizierten Geburt geboren. Er kam lebend zur Welt, hat aber aufgrund eines komplexen Herzfehlers nie selbst atmen können. Die Ärzte haben ihm Sauerstoff und einen Tropfen Morphium verabreicht und ich hielt ihn die ganze Zeit im Arm. Es gab keinen Todeskampf oder ähnliches, es war einfach alles nur friedlich und ruhig. Ich hatte in diesem Moment das Gefühl, es ist für Paul alles gut, so wie es ist. Er sah so unheimlich zufrieden aus (wie ein glücklich schlafendes Baby). Meine Familie kam später zu uns und alle, auch meine beiden großen Mädels, haben Paul lange im Arm gehalten, um ihn kennenzulernen und zu verabschieden. Wir haben in gebadet und angezogen und versucht jeden dieser wenigen kostbaren Augenblicke festzuhalten.
Ja, soweit, dann kam nach der Beerdigung natürlich die Trauer. Und die war heftig! Ich bin ohnehin in der Zeit nach der Geburt sehr sensibel und es war auch noch ein sehr trister November. Ich habe ein paar Wochen nur noch funktioniert (wollte ja für die Mädels da sein, die ja auch ihren Bruder verloren hatten), dann ging es langsam aufwärts und nach 12 Wochen konnte ich auch wieder arbeiten und habe mich wieder lebendiger gefühlt. Heute, 3 Jahre später, kann ich nur sagen, wir haben unsere Entscheidung, die Schwangerschaft auszutragen (auch wenn es an manchen Tagen durchaus eine große Herausforderung war) zu keiner Sekunde bereut. Die Erinnerungen an die Zeit mit Paul sind für mich im Trubel des Alltags als berufstätige Mama mit 3 weiteren Kindern, die bei uns auf der Erde sind (im September 2015 kam noch unser gesunder Sohn Max zur Welt), ein kostbarer Schatz. Die Zeit mit Paul hat uns alle reifer, bewusster und ruhiger werden lassen und keiner möchte sie missen. Er gehört zu unserer Familie, sein Geburtstag wird mit Kaffee und Kuchen gefeiert und auf selbst gemalten Bildern aus Kindergarten und Schule sitzt er auf seiner Wolke und schaut uns zu ;).
So, es war mir nun ein echtes Herzensanliegen, euch hier von Paul zu erzählen und so vielleicht Eltern, die in einer ähnlichen Situation sind, Mut zu machen, euer Kind so lange, wie das Leben es will, zu begleiten. Auch wenn es im Moment vielleicht nicht so scheint, nicht nur ihr gebt eurem Kind etwas, auch euer Kind wird euch etwas geben.
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RE: Ich möchte euch gerne Paul vorstellen
in Herzlich willkommen im Forum von WEITERTRAGEN e.V. 30.06.2017 15:42von Sternenbaby celina • | 18 Beiträge
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RE: Ich möchte euch gerne Paul vorstellen
in Herzlich willkommen im Forum von WEITERTRAGEN e.V. 30.06.2017 16:35von Ces • | 3.118 Beiträge
Hallo Sabine, vielen Dank für deinen Bericht.
Die Berichte hier sind immer sehr hilfreich, da sich neu Betroffene und aktuell betroffene Eltern in den Zeilen an so vielen Stellen wiederfinden können!
Ich hoffe, du fühlst dich hier wohl und du bist für alle Bereich freigeschaltet!
Hier mache ich dann zu, gerne kannst du auch im geschützten Bereich einen Beitrag eröffnen!
@Sternenbaby celina zum Thema "Todeskampf", vor dem alle Eltern gleichermaßen Angst haben (und manchmal auch Angst gemacht bekommen), den es aber bei im Gebärraum versterbenden Neugeborenen quasi nie gibt, kannst du auf dieser Seite unten nochmals nachlesen:
http://www.weitertragen.info/palliative_geburt.html
Und im Übrigen als Nachtrag: auch Kinder, die nicht sofort versterben, müssen nicht qualvoll Sterben. Dafür gibt es ja gerade Palliativmedizin.
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